Weitere Konsequenzen aus dem NSU-Desaster sind nötig

Bundestag, 11. November 2016, Plenardebatte zur Aufklärung der NSU-Verbrechensserie
Rede von Petra Pau

1. 

Das Kürzel NSU steht für „Nationalsozialistischer Untergrund“ - mithin für eine bislang beispiellose rechte Terrorserie und ein tödliches Staatsversagen.
Das alles wurde vor fünf Jahren offenbar.
Ebenso zum fünften Mal jährt sich demnächst das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach bedingungsloser Aufklärung.
 
Doch davon kann bisher keine Rede sein. Es wird geschwiegen, geleugnet und vertuscht, auf Landes- und auf Bundesebene.
Beim Verfassungsschutz werden Belege geschreddert, also Recht gebeugt, und die Justiz hält, wie im Fall Lingen, die schützende Hand drüber.
 
Damit wird die Kanzlerin in den Meineid getrieben. Und was noch schlimmer ist: Die Betroffenen werden ein weiteres Mal verhöhnt.
Es ist eine Schande!

2. 

Der erste NSU-Untersuchungsausschuss hatte im September 2013 fraktionsübergreifend einen Bericht mit 47 Schlussfolgerungen vorgelegt.
Darin ging es um rechtliche und strukturelle, auch um mentale Änderungen in Sicherheitsbehörden. Sie wurden vom Bundestag bestätigt.
 
Derweil wollte DIE LINKE wissen, was davon umgesetzt wurde. Die Antwort der Bundesregierung liegt vor. Sie ist im Netz zu lesen. Ich konzentriere mich jetzt auf drei Aspekte, die durchaus strittig sind.

3. 

Erstens: Ob Kriminalämter oder Justizbehörden, fast niemand wollte oder konnte erkennen, dass die NSU-Morde rassistisch motiviert waren. Auch deshalb gibt es die Forderung nach einem Mentalitätswechsel.
 
Nun kann man Mentalitäten schlecht messen.
Aber allein ein Blick nach Sachsen zeigt, wie viel noch zu tun bleibt. Nazi-Aufmärsche werden goutiert, Kundgebungen dagegen düpiert, das alles von Amts wegen, beschwichtigt von der Politik. Konsequenzen sehen anders aus.
 
Im Untersuchungsausschuss waren wir uneins, ob wir es mit institutionellem Rassismus zu tun haben, als auch in Behörden. DIE LINKE meint Ja, CDU/CSU und SPD sagen Nein.
 
Wir sollten dies nicht als Mehrheitsentscheidung abhaken, sondern vom Deutschen Institut für Menschenrechte untersuchen lassen. DIE LINKE hat dafür Mittel bei den finalen Haushaltsberatungen beantragt. Ich hoffe auf die Zustimmung aller Fraktionen.

4. 

Zweitens: Im Zentrum des Staatsversagens agierten die Ämter für Verfassungsschutz. Damit wäre ich beim zweiten großen Dissens.
 
CDU/CSU und SPD haben 2015 ein neues Gesetz für das Bundesamt für Verfassungsschutz beschlossen. Das erhält dadurch mehr Geld, mehr Personal, mehr Kompetenzen. Zugleich wurde die schmierige V-Leute-Kumpanei mit Nazis legalisiert.
 
DIE LINKE indes bleibt dabei: Die Ämter für Verfassungsschutz sind als Geheimdienste aufzulösen. Die V-Leute-Praxis ist sofort zu beenden.

5. 

Drittens: Wir waren uns einig, dass Initiativen zur Opferberatung, für Demokratie und Toleranz umfangreicher unterstützt werden müssen. Die Bundesmittel dafür wurden inzwischen erheblich aufgestockt.
Das ist gut so, DIE LINKE hat dem zugestimmt.
 
Gleichwohl erfahre ich auf meinen Wegen übers Land zu häufig, dass von den zusätzlichen Millionen bei den Initiativen kaum etwas ankommt. Hier muss die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern dringend prüfen, woran das liegt.
 
Denn entscheidend ist letztlich nicht, was vorne rein gesteckt wird, sondern was hinten raus kommt. Dies umso mehr, da niemand garantieren kann, dass nicht längst neue Nazi-Zellen raubend und mordend unterwegs sind. Allemal, da das rassistisch aufgeheizte Klima von ihnen als regelrechter Auftrag gedeutet werden könnte. Wie weiland beim NSU.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

[als Video]

 

 

11.11.2016
www.petra-pau.de

 

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