Erwartungen einlösen!

Rede auf der Hauptversammlung der Linkspartei.PDS Marzahn-Hellersdorf , 22. Oktober 2005

0. 

Da wir uns in dieser Zusammensetzung seit dem 18. September noch nicht getroffen haben, wiederhole ich gerne: Ich beglückwünsche alle, die einen guten und erfolgreichen Wahlkampf geführt haben. Endlich gibt es eine bundesweit relevante Linke im Bundestag. Das war überfällig. Und das wurde auch durch unser Engagement möglich.
Wir wurden zur stärksten Partei im Bezirk gewählt. Und ich konnte den Wahlkreis erneut und bestärkt gewinnen. Dafür danke ich allen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern der PDS. Und ich danke auch den WASG- Leuten unseres Bezirkes, die daran ihren Anteil hatten.

1. 

Letzen Dienstag hat sich der Bundestag konstituiert. Das ist normalerweise ein Vorgang mit wenig Spannung. Aber diesmal endete er im Eklat. Unser Kandidat für das Präsidium des Bundestages, Lothar Bisky, wurde nicht gewählt, drei mal nicht.
Natürlich ist das eine schlimme Erfahrung für Lothar, die weh tut. Aber noch schlimmer ist: Der Bundestag hat sich selbst beschädigt. Und das in einer Zeit, wo das Ansehen der Politik ohnehin im Keller liegt. Wer in so einer Situation aus dem Bundestag ein Schmieren-Theater macht, der kann nicht alle Tassen im Schrank haben.

2. 

Unsere Fraktion, Die Linke, ist die bunteste, die es seit Jahrzehnten gab. Und es wird eine Weile dauern, bis wir voneinander genug wissen, um miteinander stark zu sein. Aber eines hat der Eklat im Bundestag bewirkt: Er hat uns zusammengeschweißt.
Ulrich Maurer, früher SPD-Fraktionschef in Baden-Würtemberg, nunmehr parlamentarischer Geschäftsführer unsere Fraktion, meinte in der Fraktionssitzung nach dem dritten Wahlgang: Jetzt sei ihm blitzartig klar geworden, wie man 15 Jahre mit dem Osten und mit der PDS umgegangen sei. Und nun, da er es selbst erlebt hat, sei das auch sein ganz persönliches Problem.

3. 

Diesen Effekt hatten die Hinterbänkler der CDU und der CSU sicher nicht im Kalkül. Es sind halt kurzsichtige Kleingeister. Aber dieselben Schmieren-Clowns werden demnächst unser Land regieren. Das ist das eigentliche Problem.
Umso wichtiger ist es, dass wir den Wahlerfolg nutzen, neue Mitstreiter finden, die neue Linke schaffen und uns auf das konzentrieren, wofür wir gewählt wurden: auf die Politik - vor Ort, vom Bezirk bis zum Bundestag. Das wird von uns erwartet. Und das müssen wir gemeinsam hinkriegen.

4. 

Nun komme ich noch einmal auf die Konstituierung des Bundestages zurück, auf den 18. Oktober. Bis dahin war zwar der neue Bundestag in aller Munde, aber der alte Bundestag war noch im Amt. Und er beschloss eine Erweiterung des Bundeswehr-Mandats in Afghanistan. Gesine Lötzsch und ich haben das erneut abgelehnt.
Die Berichte der Medien über diese Entscheidung waren verhalten. So, als sei nur etwas verlängert worden, was es längst gibt. Nix da: Die Zahl der Soldaten wurde deutlich erhöht und vor allem: Sie können nunmehr in ganz Afghanistan eingesetzt werden. Das ist eine neue Qualität. Wir, die neue Linksfraktion, fordern stattdessen den unverzüglichen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

5. 

Auch der alte Innenausschuss musste noch mal ran. Das habe ich auch öffentlich gefordert. Anlass war eine Razzia bei Journalisten und in Redaktionsräumen des Edelmagazins Cicero. Sie fand Mitte September statt. Durchsuchungen dieser Art sind so selten nicht. Zumeist finden sie bei linken Zeitungen statt. Aber wo auch immer: Es sind Verstöße gegen die Pressefreiheit und damit gegen das Grundgesetz.
Otto Schily sah das in der Sitzung des Innenausschusses natürlich anders. Er liebt zwar die Bibel, aber das Grundgesetz ist nicht unbedingt sein Ding. Ich blättere zuweilen in der Bibel. Aber vor allem werde ich weiterhin die Bürgerrechte verteidigen, die im Grundgesetz verbrieft sind.

6. 

Ich bin zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt worden. Und ich bin zuständig für den Arbeitskreis „Bürgerrechte und Demokratie“. Das ist seit 1998 mein Spezialgebiet und dafür werde ich mich weiter engagieren - in der Partei und im Bundestag.
In meiner ersten parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung habe ich eine detaillierte Analyse über rechtsextreme Gewalttaten in den zurückliegenden Jahren gefordert. Und es sind mehr, als bislang offiziell zugegeben wurde. Ich will, dass sich der Bundestag endlich mal ernsthaft mit diesem bundesweiten Problem befasst.

7. 

Zum großen Erfolg der Bundestagswahl gehört: Rechtsextremistische Parteien hatten keine Chance, nicht im Bund, nicht im Land. Schaut man aber auf die „kleinen“ Zahlen, in die Wahlkreise und Stimmbezirke, dann sieht die Bilanz anders aus, nicht nur in Sachsen.
In Berlin gibt es drei Bezirke, in denen die NPD erhebliche Stimmen bündeln konnte und sich so für die BVV- Wahlen 2006 in Stellung bringen konnte. Vornan steht Marzahn-Hellersdorf, also unser Bezirk. Und dagegen müssen wir unsere Strategien schärfen.

8. 

Zur Stunde will übrigens die JN, die Jugendorganisation der NPD, durch Pankow marschieren. Die Berliner Linkspartei.PDS hat dagegen zum Protest mit Zivilcourage aufgerufen. Ich bekomme aus Pankow aktuelle Meldungen. Ich werde dorthin fahren, wenn es sinnvoll ist.
Denn ich will als Bundestagsabgeordnete der Links-Fraktion dort „Gesicht zeigen“. Und ich gehe davon aus: Das findet eure Unterstützung.

9. 

Zurück zur Bundespolitik: Wir haben mit unserer Wahlkampagne eine Idee des Bundeskanzlers aufgegriffen. Gerhard Schröder wollte eine Volksabstimmung über seine Politik, zur Agenda 2010 und über Hartz IV. Er hat sie bekommen und er hat verloren.
Aber auch die CDU/CSU hat verloren und mit ihr die FDP. Das ist gut so und zugleich kompliziert. Denn das Wahlergebnis ist entschieden unentschieden. Umso mehr kommt es darauf an, dass wir nicht nur Protest bündeln. Wir müssen linke Alternativen mehrheitsfähig machen. Das geht nicht ohne die SPD. Wir haben die Kraft zum Poltern. Aber ich finde: Wir brauchen viel mehr Kraft für eine neue, ergreifende soziale Idee.

10. 

Nun noch einige Worte zu Berlin. Ich habe immer wohl vernommen, wenn meine Zehlendorfer Konkurrentin aus der CDU, Frau Grütters, Marzahn Hellersdorf in den höchsten Tönen pries. Und ich habe von ihr immer ein selbstkritisches Wort vermisst. Denn elf Jahre CDU-SPD-Regierung haben Berlin und seine Bezirke in den Notstand getrieben.
Nächstes Jahr sind Berlin Wahlen. Und wir haben heute Delegierte für einen neuen Landesparteitag der Linkspartei.PDS zu wählen. Der wiederum hat viel zu schultern. Er muss das Projekt „neue Linkspartei“ voranbringen und er muss verhindern, dass die Katastrophen- CDU in Berlin wieder Einfluss gewinnt. Was wiederum heißt: Die Linkspartei.PDS darf sich nicht leichtfertig aus der Regierung zurückziehen. Das ist mein Wunsch und das ist mein Maß bei der Wahl unserer Marzahn-Hellersdorfer Delegierten.

Zu guter Letzt.

Wir erleben viele neue Eintritte in die Linkspartei.PDS - im Bund, im Land, im Bezirk. Das haben wir uns immer gewünscht. Und wir müssen uns natürlich etwas einfallen lassen, damit uns die Neuen auch weiterhin spannend finden. Aber es gibt auch die Alten, die zu uns zurück finden. Ich war jedenfalls sehr bewegt, als ich Kurt Schwaen erneut unser Partei-Buch überbringen konnte. Und dann gibt es ganz andere, zum Beispiel die Jüdische Gemeinde. Ihr langjähriger Vorsitzender, Andreas Nachama, bedankte sich, weil ich die einzige MdB war, die zum jüdischen Neujahrstag Glück wünschte.
Und er hofft, dass nun Alternativen zum allgemeinen Sozialabbau endlich wieder hoffähig werden. Kurzum: Wir haben viele Erwartungen geweckt. Nun müssen wir sie erfüllen. Also: Auf geht's!
 

 

 

20.5.2000
www.petra-pau.de

 

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